Das Original
Die Orgel der Ev. Kirche am Katernberger Markt in Essen ist ein Werk des um die Jahrhundertwende höchst angesehenen Königlichen Hof-Orgelbaumeisters Wilhelm Sauer aus Frankfurt an der Oder. Sie wurde im Jahre 1901 als "Opus 846" mit 29 Registern, verteilt auf Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal erbaut. Trotz durchaus bekannter Nachteile wurde auch dieses Instrument mit einer zum damaligen Zeitpunkt insbesondere bei größeren Orgeln gern verwendeten, vergleichsweise kostengünstig und einfach zu konstruierenden pneumatischen Traktur (Röhrenpneumatik) und Kegelladen (Kegelventile ohne Federdruck) ausgestattet.
Der Spieltisch mit zwei Manualen zu je 54 Tasten, Pedal zu 27 Tasten, 3 Koppeln, 3 festen Kombinationen (pneumatisch geregelt) und einem Schwelltritt (mechanisch) für das II. Manual stand ursprünglich mittig vor dem eindrucksvollen Prospekt aus dunkel gebeiztem Kiefernholz.
Die Windversorgung der Orgel, bzw. die Füllung des zweiteiligen großen Magazingebläses (8 qm) war zunächst von Balgtretern (Kalkanten) zu bewältigen. Schöpfhebel und -bälge dieser Vorrichtung sind heute noch original vorhanden und funktionsfähig.
Die Evangelische Gemeinde zu Caternberg hatte für die Ausführung dieses Werkes den aus Sicht des Abnahmegutachtens vom 17.09.1901 „recht mäßigen Preis“ von 10.500 Mark zu entrichten.
Mit dem Anschluss der Kirche an das Stromnetz (vor 1910) erhielt das Gebläse der Orgel schon bald einen ersten elektrischen Antrieb, zu verstehen als Antrieb der Schöpfhebel über eine Art Motor-/ Riemen-/ Wellenkonstruktion, geliefert von den Siemens-Schuckert Werken in Essen.
Spätestens nach 1910, dem Zeitpunkt der Übernahme der Betriebsführung der Sauer’schen Orgelbauanstalt durch Paul Walcker, brachen die Kontakte zur Herstellerfirma ab. Wartung und Pflege der Orgel wurden von 1917 an der Orgelbauanstalt Paul Faust (Barmen) übertragen.
Wie viele andere Gemeinden des Ruhrgebietes musste auch die Kirchengemeinde Katernberg im Zuge des 1. Weltkrieges schmerzliche Verluste hinnehmen. So wurden die kostbaren, aus poliertem Australzinn gefertigten Prospektpfeifen der Orgel beschlagnahmt und im Gesamtgewicht von 343 Kg zur Verwendung für Kriegszwecke (Einschmelzen) ausgebaut.
Mit dem Ersatz dieser Pfeifen wurde schließlich 1921 die Orgelbauanstalt Paul Faust beauftragt. In einer vergleichsweise kostengünstigen Ausführung fand bedauerlicherweise kein Zinn, sondern lediglich mit Aluminiumbronze überzogenes Zink Verwendung.
Im Zuge einer gründlichen Reinigung, Instandsetzung und Nachintonation der Orgel erhielt das Instrument 1934 zwecks Optimierung der Windversorgung ein elektrisches Kreiselgebläse. Zudem wurde der Spieltisch um etwa 4 Meter (heutige seitliche Position) versetzt.
Detaillierte Vorschläge des mit der Durchführung der Arbeiten beauftragten Orgelbauers Paul Faust zu einer klanglichen Umgestaltung des Instrumentes im Sinne neobarocker Ideale der seit Beginn des 20. Jahrhunderts stark aufkommenden Orgelbewegung fanden zu diesem Zeitpunkt noch keine Berücksichtigung.
Erster Umbau
Auf Grundlage weiterer Empfehlungen und Kostenanschläge der mittlerweile in Schwelm ansässigen Orgelbauanstalt Paul Faust wurde 1938 dann erstmalig Hand an das Pfeifenwerk der Orgel gelegt. Neben der aus heutiger Sicht höchst bedauerlichen vollständigen Entfernung einzelner klangcharakteristischer Register wie Violon 16’, Viola di Gamba 8’, Schalmei 8’ (labial), Fugara 4’, wurde die Disposition der Orgel durch teilweise Umstellung und/oder Umarbeitung des Sauer’schen Pfeifenwerkes bereits deutlich modifiziert. Als typisches Beispiel ist hier das „Absägen“ des Violoncello 8′ im Pedal zum Choralbass 4′ zu nennen.
Da durch das Umstellen einzelner Chöre, wie etwa der beiden mehrchörigen Register des Hauptwerks Kornett und Rauschquinte, wenn auch nur nominell neue Register geschaffen wurden, zählte die Orgel nun trotz des Ausbaus von 4 Stimmen immerhin noch 28 Register.
Der Abnahmebericht des Evgl. kirchlichen Orgel- und Glockenamtes der Rheinprovinz kommt zum Fazit einer genauen und kunstgerechten Ausführung der Arbeiten mit einer Befreiung des Instrumentes von zu vielen grundtönigen 16’ und 8’ Stimmen, verbunden mit einer großen Aufhellung und Auflichtung des Klanges im Sinne einer weitest möglichen Veredelung des vorhandenen Materials.
Mitte 1951 führte die Orgelbauanstalt Paul Faust ihren vermutlich letzten Auftrag an der Katernberger Sauer-Orgel aus.
Das Instrument wurde gereinigt, instandgesetzt und von ursprünglich 435 Schwingungen Normaltonhöhe auf zeitgemäße Kammertonhöhe gestimmt und nachintoniert.
Bei dieser Gelegenheit wurden werkstattmäßig auch alle Registerbälge erneuert bzw. neu beledert.
Zweiter Umbau
Schon seit 1950 trug sich die Gemeinde Katernberg mit dem Gedanken, ihre Orgel in erheblichem Umfang weiter auszubauen. Entsprechende Anfragen an das Evgl. kirchl. Orgel- u. Glockenamt der Rheinprovinz bezüglich der Metallbeschaffung für einen Orgelumbau liegen archivarisch vor.
Tatsächlich sollten jedoch noch 15 Jahre vergehen, bevor dieses Vorhaben realisiert werden konnte.
Die Firma Orgelbau Friedrich Euler (Hofgeismar) wurde 1965 mit der Durchführung einer weiteren Umgestaltung der Orgel beauftragt, wobei nicht nur die Disposition sondern auch die technischen Einrichtungen des Instrumentes weitreichende Veränderungen erfuhren.
Im unteren Teil der Orgel, vor dem Pedalwerk und unter den beiden Ebenen des Hauptwerkes gelegen, wurde durch das Entfernen senkrechter Stützelemente und das ersatzweise Einziehen eines Stahlträgers Platz für ein zusätzliches Werk der Orgel geschaffen. Dieses mit Taschenladen ausgestattete Unterwerk mit sieben neuen und einem Register aus ursprünglichem Sauer-Bestand (Salicional 8’ = Aeoline 8’) wurde dem 3. Manual eines neuen Spieltisches vom Hersteller Eisenschmid (München) zugeordnet. Gleichzeitig wurden drei zusätzliche Pedalregister auf dieser Lade untergebracht. Das Hauptwerk erhielt nun eine Mixtur, das Schwellwerk eine Terzzimbel sowie eine neue 8’ Zungenstimme. Insgesamt wurden die Werke der Orgel, dem Zeitgeschmack entsprechend, nun vollständig barockisiert – glücklicherweise ohne weitere umfangreiche Eingriffe in das originale bzw. von Faust umgearbeitete Sauer’sche Pfeifenmaterial. Drei ausgebaute Register wurden nahezu vollzählig in der Orgel eingelagert und sind erhalten.
Im Zuge der Erneuerung des Spieltisches wurde das Traktursystem der Orgel bis hin zum Relaisventil der ursprünglichen Röhren-Pneumatik elektrifiziert. Der neue Spieltisch erhielt neben Handregistern, Koppeln, Einzelzungenabstellern sowie einer Tuttischaltung nun auch zwei freie Kombinationen. Ein Schwelltritt wurde zwar optisch angelegt, die eigentliche Schwellerkonstruktion jedoch bei vollständigem Ausbau von Jalousien und Tretmechanik stillgelegt. Die Kiefernholz-Lamellen selbst wurden glücklicherweise im Instrument eingelagert und sind erhalten.
Mit der Einrichtung des neuen Spieltisches wurde das Pedalwerk ergänzt und auf 30 Töne erweitert. Die ursprünglich vorhandenen Manualregister verblieben jedoch trotz nun vorhandener 56 Tasten bei einem Umfang von 54 Tönen.
Die Orgel der Kirche am Katernberger Markt verfügte nach Abschluss der Umbauarbeiten bei zwei frei verbliebenen Pfeifenstöcken nun über insgesamt 38 klingende Register.